Aris Kalaizis

Spannung, Unbehagen, Neugier

In diesem Text ums­chreibt die Dresden­er Kun­stkritiker­in und Kur­at­or­in, Susanne Alt­mann, die Bild­wel­ten des Leipzi­ger Malers Aris Kala­izis als ein klaus­tro­phobisches Span­nung­s­raum, in dem sich die Fig­uren am Rande der Selb­stau­flösung zu befind­en scheinen

Aris Kalaizis | Das Holzhaus | Öl auf Leinwand | 100 x 120 cm | 2006
Aris Kalaizis | Das Holzhaus | Öl auf Leinwand | 100 x 120 cm | 2006

Leipzig. Der Wagen. Das Haus. Der Wald. Der Mann. Diese vier Ele­mente ver­bind­et Aris Kala­izis, ein Ver­treter der Neuen Leipzi­ger Schule, in seinem Gemälde „Holzhaus“ mitein­ander. Er lässt sie wie auf ein­er Bühne gleichzeit­ig auftre­ten und dabei gelingt es ihm, wie in einem guten Theat­er­stück, den Betrachter ver­gessen zu lassen, dass die Kon­stel­la­tion von der Phant­as­ie eines Autors her­bei­gezwun­gen wurde. Die Sug­gestivkraft der Hand­lung oder bess­er: der Ver­wei­ger­ung ein­er Auflösung zieht uns in ihren Bann.


…Requis­it für ein meta­phys­isches Klima


Doch was ist das Geheim­nis dieser szen­is­chen Schlüssigkeit? Wieso funk­tionier­en diese vier Ele­mente mitein­ander? Ist es der rote Wasser­sch­lauch in den Händen des Mannes, der als Nabelschnur oder Faden die Kom­pos­i­tion hält? Ist die aus­geklü­gelte und künst­lich wirkende Licht­führung? Ist es die angespan­nte, leicht milchig wirkende Luft, die diesen Außen­raum vibri­er­en lässt? Oder ist es der streng definierte Fleck­en feuchter Erde, auf dem sich das Ges­chehen abspielt? Wasser, Feuer, Luft, Erde – die Ana­lo­gie zu den vier Ele­men­ten, die unsere Welt gener­ell zusam­men­hal­ten, wäre ein mög­lich­er Deu­tungs­ver­such. Inner­halb dieser Lesart wäre die männ­liche Fig­ur kein Prot­ag­on­ist, son­dern viel­mehr ein Requis­it für ein meta­phys­isches Klima. Und tat­säch­lich scheint sich das Schlüs­sel­ges­chehen eher auf das hell erleuchtete Hüt­ten­fen­ster im Bildzen­trum zu konzentri­er­en – obwohl hier Inhalt, wie man ihn tra­di­tion­ell im Mit­telpunkt ein­er Kom­pos­i­tion ver­muten würde, sch­licht ver­wei­gert wird.


Span­nung, Unbe­ha­gen, Neu­gi­er, Wieder­ken­nung­swert tre­ten angesichts dieser Szene in ein Wech­selspiel, dass in sein­er psy­cho­lo­gis­chen Intens­ität viele Werke von Aris Kala­izis zu unver­wech­sel­bar­en Stim­mungs­b­ildern wer­den lässt. Dabei zehren diese Auftritte, unab­hängig von einem mut­maß­lichen Vorher oder Nach­h­er, von der Ähn­lich­keit zu Filmstand­b­ildern. Nicht umsonst fühlt sich Kala­izis zu Fil­memach­ern wie Wim Wenders oder Jim Jar­musch hingezo­gen. Viel­leicht darf man in diesem Sinne die helle Öffnung als Ref­er­enz an die Magie des Kinos, als Vernei­gung vor ganz spez­i­el­len Großmeistern des bewegten Bildes ver­stehen. Im Inner­en des Häuschens kön­nten sich bris­ante, funkelnde Zweiper­son­en­stücke abspielen, wie etwa Robert Alt­mans „Fool for Love“ (1986) mit Kim Basing­er und Sam Shep­ard am Rande psych­is­cher Selbstauflösung.

Wie oft ent­fal­ten derlei kin­emato­grafis­che Hand­lungs­abläufe ihre Tiefe jen­seits der sicht­bar­en Abläufe, wie oft sind es unsicht­bare Interak­tion­en, kaum ins Bewusst­sein drin­gende Requis­iten oder Kulis­sen, die die Stim­mung der von Aris Kala­izis offen­bar favor­is­ier­ten nor­damerik­an­is­chen Fil­mepen unter­schwellig grundier­en. Sol­che Momente, reich an nicht decod­i­erbar­er­em Nachdruck, fängt er ein; weni­ger als Zit­ate, viel­mehr als Symp­tome all­täg­lich­er Absurditäten und Abgründe.


Das selt­same, aber beileibe nicht unvor­stell­bare Zusam­men­tref­fen, wie es etwa das Gemälde „Bahren“ anbi­etet, gehört zweifel­los zu diesem The­men­spek­trum. Ähn­lich wie bei „Holzhaus“ fin­d­et die Begegnung der beiden Prot­ag­on­isten unter freiem Him­mel statt und führt zusätz­lich zum Sujet die Hingabe und handwerk­liche Meister­schaft des Malers bei der Darstel­lung von Natur vor. Auch „Pen­tra­grass“, das wohl unheim­lich­ste Motiv der vorlie­genden Werkauswahl, wurde im Freien, in ein­er real existi­er­enden Parkan­lage angesiedelt und bietet dem Betrachter trotzdem kaum Gele­gen­heit zum erleichter­ten Durchat­men. Alle drei Gemälde enthal­ten stark klaus­tro­phobis­che Kom­pon­en­ten, die Kala­izis sowohl in der Raumor­gan­isa­tion wie auch in der psy­cho­lo­gis­chen Ord­nung gerne pro­gram­mat­isch ben­utzt. In Innen­raum wie „Stella“ ver­stärkt er diese Inten­tion noch weiter.

Und weil er seine Bild­pro­gramme sorgfältig aus ein­zelnen foto­grafis­chen Ele­men­ten bez­iehung­s­weise entlang von vorher angelegten Textskizzen zusam­menset­zt, kann man ihn get­rost als Regis­seur betracht­en. So kom­mt jene Ver­bindung zwis­chen Bek­lem­mung und Ver­trau­theit, Banal­ität und Geheim­nis zus­tande, die jedes Bild auch zu ein­er emo­tionalen und intellektuel­len Heraus­for­der­ung für den Betrachter wer­den lässt.

(aus: Kata­log: Künst­leraustausch Columbus/​Ohio – Freistaat Sach­sen, dt./engl.)


©2007 Susanne Alt­mann | Aris Kalaizis

Susanne Alt­mann, geb. 1964, ist fre­is­chaf­fende Kun­stkritiker­in und Kur­at­or­in, schreibt für mehr­ere deutsche Zeits­chriften und Magazine. Sie lebt und arbeitet in Dresden.

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